Das Problem mit der Coaching-Industrie

und warum ich einen Bachelor of Science in Life Coaching an einer Hochschule absolviert habe.

Die Coaching-Szene boomt und das nicht ohne Grund. Immer mehr Menschen haben das Bedürfnis in schwierigen Lebensphasen an die Hand genommen zu werden. Der Beruf des “Coaches” ist aber leider nicht geschützt (Stand 2024), was bedeutet, dass sich jeder ohne jegliche Ausbildung so nennen darf, als solcher Geld verdienen und sogar andere Menschen zu Coaches ausbilden kann.

Seitdem Influencer mit und durch Social Media (und auch alle anderen Menschen durch das Internet) Geld verdienen können, fühlen sich leider viele durch eine große Reichweite und eine hohe Anzahl an Abonnenten dazu befähigt, Coachings in allen möglichen Bereichen anzubieten: Gesundheitscoachings, Business-Coachings und Money-Mindset-Coachings sind hier nur der Anfang.

Warum ist es extrem gefährlich, dass jeder als Coach “arbeiten” kann?

Die meisten dieser selbst ernannten Coaches oder Influencer haben häufig keine oder eine meist unzureichende Ausbildung. Ein Wochenendkurs oder einstündiges Online-Seminar reicht keineswegs aus, um zentrale Elemente für ein Coaching zu erlernen oder (Praxis-) Erfahrung zu sammeln. Doch der Knackpunkt ist für mich, dass diese vermeintlichen Coaches meist kein ausreichendes Wissen über (psychische) Krankheiten haben, nicht mit dem ICD vertraut sind und somit keineswegs einschätzen können, wann jemand beispielsweise Hilfe im Rahmen einer Psychotherapie benötigt. Eine solche Fehleinschätzung kann im schlimmsten Fall fatale Folgen für Coachees haben

Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass so schlecht ausgebildete Menschen damit Erfolg haben?

Selbsternannte Coaches oder Influencer sprechen eine spezielle, aber leider auch große Gruppe von Menschen an, die sie leicht als Coachees gewinnen können: Menschen, die sich in einer herausfordernden Lebensphase befinden (beispielsweise nach Schicksalsschlägen), die veränderungsbereit, häufig aber auch verzweifelt und dadurch empfänglich sind, um beispielsweise horrende Summen für Coachings zu bezahlen, die sofortige positive Veränderungen versprechen.

Dabei werden diese Menschen auf Social Media Kanälen wie Instagram in die perfekt manikürten Abbildungen eines inszenierten Lebens eingelullt, das komplett fern jeglicher Realität ist. Das Leben als “That-Girl”, “Trad-Mom” oder im romantisierten “Van Life” lässt vor allem vulnerable Menschen unzureichend fühlen und wenn sie davor noch nicht betroffen davon waren, haben sie spätestes jetzt FOMO, fear of missing out, also Angst davor, etwas verpassen zu können. Sie müssen einfach diese einmalige Chance nutzen und das Coaching heute statt für 22.222 EUR für nur 9.999 EUR kaufen, das ihnen genau diesen Life Style verspricht.

Und nicht nur das. Manche Coaches machen Heilversprechen oder Wirkaussagen, was in Deutschland illegal ist, beispielsweise zur Verbesserung psychischer Krankheiten durch eine Teilnahme an einem ihrer Retreats. (https://www.gesetze-im-internet.de/heilmwerbg/BJNR006049965.html)

Man muss ihren Life Style nur nachahmen, womit ich zum nächsten Punkt komme: das “Heilige-Gral”-Versprechen. Viele dieser selbst ernannten Coaches oder Influencer behaupten den “Heiligen Gral”, die perfekte Lösung für ein Problem gefunden zu haben – Du musst einfach genau das machen, was sie auch gemacht haben. ABER: Du wirst nie erfahren, wie genau das geht, wenn du nicht sofort ein Coaching oder Retreat bei ihnen kaufst, denn diese Information gibt es zu 100 % nirgends sonst auf diesem Planeten (vor allem nicht umsonst im Internet).

Kleiner Reminder: Diese Menschen besitzen häufig keinerlei Expertise oder Wissen, um langfristige Ziele und Veränderungen bei ihren Coachees erzielen zu können, was mich zum letzten Punkt bringt: Influencer und bekannte Persönlichkeiten im Internet sind extrem gut darin, andere zu motivieren, zu polarisieren und auch spannende Gruppendynamiken beispielsweise auf Events zu erzeugen. Doch wie lange hält diese kurzzeitige Motivation; dieser Hype wirklich an? Inwieweit hilft das auch nach Monaten noch am Ball zu bleiben und das eigene Leben tatsächlich maßgeblich zu verändern? Kurzzeitige Motivation hat nichts mit langfristigen, nachhaltigen Ergebnissen zu tun.

Coaching als Methode, um das schnelle Geld zu verdienen?

Coaching sollte genau wie eine Therapie allen zugänglich sein, die Preise sollten nachvollziehbar und realistisch sein und im Zentrum sollte kein Business-Gedanke, sondern die Motivation stehen, Menschen zu helfen.

Viele selbst ernannte Coaches oder Influencer bieten Coachings zu extrem hohen Summen an, häufig “Anglenumbers” (also die gleiche Zahl mehrmals hintereinander wie 8.888 EUR) und argumentieren dann, dass man eben selbst entscheiden soll, wie viel die eigene Zeit wert ist. Ich frage mich, wer die Zielgruppe ist: Superreiche? Oder Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie sich für ein Coaching verschulden möchten, weil ihnen das Blaue vom Himmel versprochen wird? Und was rechtfertigt diese Preise? Eine jahrelange zertifizierte Ausbildung? Die Tatsache, dass ihr eigenes Leben makellos und reproduzierbar ist?

Influencer können Begeisterung wecken und inspirieren und das kann in manchen Fällen reichen, um positive Veränderungen im Leben herbeizurufen, vor allem wenn Coach und Coachee sich gut verstehen und auf menschlicher Ebene zusammenpassen. Das qualifiziert sie dennoch nicht automatisch als Coaches mit adäquater Ausbildung zu arbeiten. Am Ende darf der Erfolg der Tätigkeit als Influencer nie mit dem Erfolg der selben Person als Coach gleichgesetzt werden.

Wenn du nun mehr über meine Ausbildungen und Qualifizierungen wissen möchtest, kannst du hier weiterlesen.

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